Die singenden Brücken von Skeidarasandur
Wildes Wasser
25.05.2014 Die Fahrt zurück am Folgetag gestaltet sich stürmisch. Das Deck hebt und senkt sich und das Schiff wird zusätzlich von seitlichen Wellen attackiert. Heute wäre wohl kein Ribbootwetter. Hätten wir den Mietwagen an Bord, müssten wir uns ernsthaft Gedanken machen.
So aber ist er wohlbehalten an Land.
Land, das ist aber zunächst einmal der breite menschenleere Strand, der bis zum Horizont reicht. Die Wellenkämme galoppieren weisschäumend auf ihn zu .Einer um den anderen.
Im Nebel hinter uns sind Heimaey und Ellidaey bereits ferne Felsumrisse.
Mit Mühe umrundet die Fähre den Hafendamm und mit einem Aufseufzen kommen die Schiffsmotoren langsam zur Ruhe.
Bein Betreten des festen Bodens der Pier fühlt sich das Feste für unsere Füße schwankend an.
Mit unseren Rollköfferchen rollen wir zu unserem fahrenden Zuhause.
Es antwortet auch gleich auf die Fernbedienung. Was freundlich ist, da es gießt, aber die Fernbedienung sonst nicht immer funktioniert.
Wir genießen den Vorzug der Sitzheizung und fahren durch die Regenlandschaft. Überall Wasser. Als Regenvorhang. Als herabstürzende Wasserfälle. Wofür man in den Bayerischen. Alpen schon etwas laufen muss - hier hat quasi jeder Bauernhof seinen, fast jede Schafweide ihren Wasserfall. Einen davon steuern wir auch an. Den Skogafoss. Hier wandern wir den Stufenweg zu einer Aussichtsplattform, von der aus die Besuchergruppen in bunten Regenponchos und die Reisebusse unten auf dem belebten Parkplatz relativ klein wirken neben dem senkrecht herabstürzenden Wasserfall, der zusätzlich zum Regen seine Wassergischt versprüht.
Dann fahren wir weiter Richtung Vik. An einer Abzweigung steht ein Wegweiser, den wir fast übersehen hätten:
Halbinsel Kap Dyrholaey
Wir sind schon vorbei, da fällt uns auf, dass auf dem Schild Kap Dyrholaey stand. Die berühmte Halbinsel Kap Dyrholaey ( auf Deutsch „Türlochinsel“) mit ihren spektakulären Klippen. Wir wenden an geeigneter Stelle und biegen an der Abzweigung zum Kap auf eine ruhige kleine Nebenstraße, die wir entlanggondeln.
Unser erstes Odinshühnchen
Immer wieder Ausblicke mit Ach und Ooh! Immer wieder kleine Wasserlöcher, an denen wir – das erste Mal in diesem Islandurlaub – Odinshühnchen beobachten.
Strand
Wir parken ganz vorn am Besucherparkplatz, der die spektakuläre Felsenküste überblickt. In der Ferne erheben sich dieschwarzen Felsenzähne der Klippen von Vik und dazwischen erstrecken sich kilometerlange schwarze Strände, auf die stürmische See weiße Milchschaumwellen gießt. Dieser Strand ist unter die Top 10 der weltweit schönsten Strände gelistet und er ist der einzige dieser Traumstrände, an dem man so richtig frieren kann.
Kap Dyrholaey
Angelockt von dem fernen Ziel wandern wir einen Klippenweg entlang hoch zum orangegelben Leuchtfeuer hoch über dem Felsentor. Sein Licht sollte Schiffe warnen und davon abhalten, am dieser gefährlichen Küste zu stranden.
Dies kam oft genug vor – und die unglückliche Besatzung, wenn sie denn dies selbst überlebt hatte, musste um ihr Leben auch noch an Land kämpfen. Denn durchnässt und ohne Proviant sich über Lavagestein und Treibsand zu bewegen, bis dann da vielleicht eine Schutzhütte oder ein Bauernhof Wärme, Nahrung und Schutz boten, das hat auch oft noch- mals unter den Überlebenden des eigentlichen Schiffsunglückes Opfer gefordert. Häufig waren es deutsche Fischfangschiffe, die vor Island verunglückt sind.
Heute ist der Tag neblig und kein Schiff in Sicht. Es ist windig und sogar die Dreizehenmöven haben Probleme, in der Felswand bei ihren Nestern zu landen, immer wieder sehen wir, wie einer der Vögel über die Kliffkante hochgehoben wird und dann wieder versucht, nach unten hin zu manövrieren.
Küstenseechwalben [Sterna paradisaea]
bei der Balz am Nest
Bei Wind und Regen laufen wir zurück zum Auto und fahren gemütlich die kleine Straße entlang. Bei den jungen freundlichen Islandpferden, die das frische Gras jenseits ihres Zauns gern annehmen, verlässt Uta aber doch zu gerne das Auto. Die Pferde haben sich entlang des Zauns versammelt und freuen sich über die Touristen, die sich mit Grasbüscheln in den Händen zu ihren Ehren eingefunden haben, die Gras rupfend am Straßenrand für Geschenke sorgen und die einem die weiche Schnauze tätscheln und durch die dichte Mähne strubbeln. Pelzige Ohren sind freundlich nach vorn geklappt. Die der Pferde natürlich. Eine sympathiegetragene Begegnung am Straßenrand.
Islandpferde
Ankunft im Skaftafell-Nationalpark
Jetzt im Mai ahnen wir noch nichts davon, sind aber beeindruckt. Wasteland: Rechts am Horizont das Meer, vor und neben uns kilometerlange Sandebene, die von mäandernden Bachläufen durchquert und von kilometerlangen Brücken überquert wird.
Der Metallbelag der Brücken erzeugt in Verbindung mit den Reifen eine singende Tonfolge.
Schmarotzerraubmöwe
[Stercorarius parasiticus] am Eingang
des Zeltplatzes
Am Nationalpark Skaftafell finden wir einen gut ausgestatteten Campingplatz vor, ein großzügiges Infozentrum - an dem Tag hat es schon zu - und eine einzelne Schmarotzerraubmöve, die vor den Holzhütten der Gletschertouranbieter gravitätisch den den Parkplatz und die Reihe von Womos, Expeditionsfahrzeugen und Bussen abschreitet, ist unser Anziehungspunkt. Das gefällt uns. Hier bleiben wir.
Auf der weitläufigen Zeltwiese entdecken wir rasch den geeigneten Platz.
Die gut gestaltete Wanderpanoramatafel informiert uns über die Vielfalt an Rundwegen durch das Gebiet der Birkenwäldchen und Tundraheide der Skaftafellsheiði unterhalb des Vatnajökull.
Skeiðarárjökull ein ausläufer der Vatnajökull
Nachdem wir uns häuslich eingerichtet haben, wandern wir Richtung Gletscher – im Ernst: Befestigte Wege führen zum See unterhalb der Gletscherzunge. Eisberge in künstlerischen Formen treiben auf der Wasseroberfläche, einige schimmern blau, andere türkis und weiß.
Die Stille wird unterbrochen von einem – ja, wie soll man es anders nennen als ein Rülpsen.
Es ist nicht ein Gletschergeist, sondern zwei Alpenschneehähne, die balzend über die Felswände links oberhalb des Zeltplatzes streichen. Und hoppla, da ist auch die Dame, der diese Bemühungen gelten: Eine Schneehenne spaziert gelassen am Weg entlang. In ihrem braunen Federkittel und mit ihrem versonnen blinzelnden Blick ist sie in den Augen der Hähne so etwas wie die Mona Lisa der Schneehühner.
Wir sind hier umgeben von Natur. Vor uns der majestätische Ausläufer des Vatnajökull.
Vielfältige Vogelgesänge der Rotdrosseln und der Birkenzeisige wiegt uns in den Schlaf. Und im Hinterkopf die singenden Brücken des Skeiderasandur.
Bunga Bunga